Überraschend ist die SPD von ihrem Zeitplan der Findung des Kanzlerkandidaten abgewichen. Angeblich auf Druck der Medien. Einer muss ja Schuld sein.
Tatsächlich verkündete der Vorstand vor langer Zeit, dass die Wahl zwischen Steinmeier, Gabriel und Steinbrück bestehen soll. Nur, zuerst zog Gabriel und anschliessend Steinmeier zurück. Steinbrück war wohl nicht schnell genug. Nun muss er ran.
Nun wird also ein 65-jähriger die Partei in die Zukunft führen. Einer, der bislang immer nur gezeigt hat, dass er es ein bisschen, aber nicht richtig kann. Und vor allem einer, der dafür steht keine Visionen zu haben. Selbst in der eigenen Partei ist Steinbrück umstritten.
Sorry, so sieht keine Entscheidung aus, die den Anschein von Siegeswillen dokumentiert. Hier geht es um die Verwaltung des Scheiterns. Die jüngeren wollten sich nicht verbrennen lassen. Die Funktionäre der frühen SPD in der Weimarer Zeit wurden teilweise als „Häckeldeckchensozialisten“ beschrieben, die in ihren gutbürgerlichen Wohnzimmern sitzen und vor allem niemand weh tun wollen. Heute sieht man dasselbe.
Aber die SPD spiegelt damit auch wieder, was die anderen Parteien ebenso betrifft. Sie haben mit dem wirklichen Leben nicht mehr viel zu tun. Entscheidungen werden von oben nach unten durchgesetzt, selbst die eigenen Parteimitglieder haben keine Chance, ihre Vorstellungen einzubringen. Regionalveranstaltungen sehen eher wie Verkündigungen denn wie Diskussionsveranstaltungen aus. Damit geht die so wichtige Identifikation in jeder Partei endgültig verloren. Bei den Grünen keimt eine kleine Hoffnung.
Die Folge sehen wir seit vielen Jahren. Da das Führungspersonal der Parteien mit der Basis kaum etwas zu tun hat, ist es auch zunehmend egal, wer da oben gerade seine Machtspielchen treibt. Und so ist es schliesslich auch dem Wahlvolk egal, wer da oben gerade spielt. Denn eines wissen wir seit vielen Jahren, wir haben im Grunde keine demokratisch legitimierten Politiker mehr. Bei Wahlbeteiligungen unter 60%, also mehr als 40% Enthaltungen, kann man bei einem Stimmenanteil von um die 35% nicht mehr von Zustimmung reden, schon gar nicht von breiter.
Und diese Enthaltungen kommen von der Entkoppelung von Politik und real existierendem Leben der Menschen. Sie haben allerdings auch zu einer Zunahme des Engagements ausserhalb etablierter Politiksysteme geführt. Heute Wutbürger genannt, früher ausserparlamentarische Opposition. Hier entwickelt sich ein gut und alternativ organisiertes Modell der Beteiligung. Von der Politik, der etablierten Macht zu recht gefürchtet und deshalb streng ademokratisch bekämpft. Sei es mit brutaler Polizeigewalt wie am schwarzen Donnerstag in Stuttgart, oder durch nicht ganz so brutale Räumungen, wie bei der Occupy-Bewegung. Weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Weil die etablierten Apparatschiks der Politik gefährdend. Anstatt etwas sehr vernünftiges zu tun, und diese zahlreichen Ideen, die der Politik ja fehlen, aufzunehmen und in einem transparenten Auswahlverfahren zu evaluieren und dann auszuwählen.
Und nun darf ein entkoppelter Steinbrück mit einer entkoppelten Merkel das Wahlkampfritual spielen. Einem Gutteil der Parteimitglieder und der Bevölkerung wird es egal sein. Mangels Alternative wird es dann wieder Merkel sein, wenn sie keine großen Fehler macht.