Der Volksabstimmung fieberte ganz Europa entgegen. Nun hat das Volk des Vereinigten Königreichs für den Austritt aus der EU gestimmt.
Der DAX fiel in den frühen Morgenstunden um rund 1.000 Punkte und ist bis 14:00 Uhr um 300 gestiegen. Angeblich wurde die Börse überrumpelt. Klar, der Volksentscheid ist ja erst seit 1 Jahr bekannt.
Gibt es Grund zur Panik?
Eigentlich nicht. Denn, die Briten sind ja noch mindestens 2 Jahre Mitglied der EU, mit allen Rechten und Pflichten. Da muss jetzt erst ein Mal der Vertrag gekündigt werden. Danach besteht eine Frist von 2 Jahren, um durch vertragliche Regelungen den Austritt herbeizuführen. Wir haben also alle wenigstens 2 Jahre Zeit.
Die Frage wird sein, was dann kommt. es gibt 2 Extreme. Die Briten treten vollkommen aus und haben keinerlei vertragliche Beziehung mehr zu der EU. Diese Robinson-Lösung ist wenig wahrscheinlich, da die Mehrzahl der Wirtschaftsforscher für diesen Fall einen Einbruch des Bruttoinlandsproduktes voraussagt, der bis zu 25% gehen kann. Das ist Griechenland im Rahmen des EU-Spardiktats passiert. Die daraus resultierenden sozialen Verwerfungen würde eine Regierung aus Brexit-Befürwortern kaum überleben.
Das andere Extrem wäre, die Briten werden assoziiertes Mitglied, analog der Schweiz oder Norwegens. Das hätte kaum wirtschaftliche Verwerfungen zur Folge. Diese Lösung hätte allerdings die Konsequenz, dass ein wesentliches Ziel für den Austritt, die eigene Kontrolle über die Zuwanderung, nicht erfüllt würde. Denn eine Assoziierung mit der EU gibt es nur zum Preis der Freizügigkeit. Das Vereinigte Königreich hat jährlich eine Nettozuwanderung von ca. 330.000 Menschen. Davon stammt die Hälfte aus der EU. Die eine Hälfte konnte man schon immer selbst regeln, die andere würde dann weiter bestehen. Also keine Änderung.
Irgendwo zwischen diesen beiden Extremen wird es wohl eine Lösung geben. Nachdem Herr Cameron erklärt hat, dass er den Weg des Brexit nicht bereiten wird und in 3 Monaten zurücktritt, wird eine neue Regierung der Brexitbefürworter in einem Dilemma stehen. Egal welche Lösung am Ende gefunden wird, die Regierungsmitglieder werden eine Ihrer Zusagen nicht einhalten können. Die Kernaussagen waren, wir können wieder alleine über die Zuwanderung entscheiden und es wird uns allen dabei wirtschaftlich gleich gut, wenn nicht besser, gehen. Tatsächlich wird beides zusammen nicht gehen. Dies wird auch dadurch verstärkt, dass Herr Obama deutlich gemacht hat, dass die USA keine Auffangstellung beziehen. Womit auch?
Für die Menschen in Großbritannien wird es in den kommenden Jahren schwer. Die eine Hälfte muss erkennen, dass sie mit unhaltbaren Zusagen verführt wurden. Die andere Hälfte wird ihre Befürchtungen bestätigt sehen und den Befürwortern die Schuld geben. Das Ergebnis werden Unruhen sein, da sich die Hilflosigkeit gegenüber Politikern, die nicht einhaltbare Zusagen machen, immer derartig entlädt. Diese Unruhen wird man nicht mit Polizeigewalt erledigen können. Es ist nun zu befürchten, dass in ca. 1,5 Jahren turbulente Zeiten in Großbritannien beginnen. Das politische System wird sich neu erfinden müssen.
Für die Menschen in der verbliebenen EU, also auch in Deutschland, bedeutet dieser Austritt zunächst höhere Abgaben an die EU. Die Größenordnung wird davon abhängen, ob ein Assoziierungsabkommen mit den Briten gelingt. Gelingt dies nicht, haben Wirtschaftsinstitute für Deutschland eine Mehrbelastung von EUR 1,27 Mrd errechnet.
Diese Mehrbelastung, die alle Staaten in unterschiedlicher Höhe trifft, wird nicht so ohne weiteres durchsetzbar sein. Es wird also allein schon aus finanziellen Gründen zu Veränderungen des politischen Systems EU kommen müssen. Der lang angemahnte Bürokratieabbau, könnte durch den Brexit plötzlich Fahrt aufnehmen. Bislang gefiel sich der Apparat der EU eher in der Ausdehnung der Befugnisse und im Ausbau des Personals. Es wird nun spannend, ob der Präsident der EU-Kommission, Jean-Claude Juncker, die geistige Beweglichkeit ,mitbringt, diese Richtungsänderung ernsthaft umzusetzen. Die Selbstbeschneidung ist bekanntlich eine der schwierigsten Dinge, die ein Mann tun muss.
Wirtschaftlich sind in der EU keine großen Verwerfungen zu erwarten. Der Worst-Case der völligen Trennung, bringt ja die Wirtschaftsbeziehungen nicht zum erliegen. Hinzu kommt, dass der Anteil Großbritanniens am Bruttoinlandsprodukt der EU bei Wegfall nie eine Bedrohung für die Wirtschaft der EU war. Im schlimmsten Fall ist eine Delle zu erwarten, die nach ca. 2 Jahren ausgebügelt sein wird. Es wird einzelne Unternehmen geben, die unter Umständen etwas größere Schwierigkeiten haben werde, weil sie Unternehmen oder Produktionsstätten in Großbritannien haben. Da wird es besonders auf die Frage ankommen, wie weit die Trennung von der EU geht. Dies kann in Einzelfällen dazu führen, dass Standorte verlagert werden müssen. Was wiederum eher Großbritannien schaden dürfte.
Also, kein Grund zur Panik. Warten wir die kommenden 2 Jahre ab, wie die Trennung zum Schluß tatsächlich aussieht und welche britischen Politiker am Ende tatsächlich die Verantwortung tragen.